Ich freue mich, Anne Nühm aka breakpoint zum Interview zu begrüßen:
yx: Hallo Anne, Du bist als Programmiererin in einer recht männerdominierten Branche unterwegs, wie ist das Mann-Frau-Verhältnis an deinem Arbeitsplatz?
Anne: Programmieren ist ein wesentlicher Aspekt meiner Arbeit, greift alleine aber etwas zu kurz. Ich bin seit mehreren Jahren freiberuflich als Softwareingenieurin und IT-Beraterin selbständig. Da ich alleine arbeite, liegt der Frauenanteil bei hundert Prozent. Allerdings habe ich immer wieder mit Kunden zu tun, und die sind zum allergrößten Teil männlich.
Zu meinen regelmäßigen Tätigkeiten gehört es auch, die Softwareentwicklung im mittelständischen Technologie-Unternehmen meines Mannes (als externe Dienstleisterin) zu leiten. Meine Mitarbeiter dort (sowie in den angrenzenden technischen Abteilungen) sind alle männlich.
Diese Führungsverantwortung ermöglicht mir auch eine Sicht aus Arbeitgeberperspektive.
yx: Allgemein ist man ja der Auffassung, dass Frauen in technischen Dingen eher unbedarft sind. Hast Du mit Vorurteilen zu kämpfen?
Anne: Vorurteile haben ja oft einen wahren Kern. Man sollte auch nicht vergessen, dass bei weitem nicht alle Männer technisch versiert sind. Tendenziell ist es aber durchaus so, dass es mehr Männer mit Technikbegabung gibt als Frauen.
Gewisse Vorbehalte sind also verständlich. Bisher habe ich das jedoch nie als Problem oder gar „Kampf“ gesehen. Es gelingt mir normalerweise schnell, potentielle Kunden oder Auftraggeber von meiner Kompetenz zu überzeugen. Gerade im MINT-Bereich sind die meisten Menschen ja aufgeschlossen und unvoreingenommen.
Vor einigen Jahren war es noch so, dass Frauen, die ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium erfolgreich absolviert hatten, beruflich als besonders motiviert und engagiert galten. Leider muss ich zunehmend die Erfahrung machen, dass Frauen aufgrund von Fördermaßnahmen (z.B. Girls‘ Day oder Frauenquote) mehr und mehr den Status der „Quotentussi“ bekommen, da verstärkt auch diejenigen Frauen technische Berufe ergreifen, sie dafür eigentlich weniger geeignet sind. Ich halte diese Entwicklung für äußerst negativ. Gerade hochqualifizierten Frauen wird durch solche Maßnahmen geschadet, da sie niemand mehr ernst nimmt.
yx: In deinem Blog schreibst Du schon mal, dass Frauen, die mit männlichen Humor in deiner Branche nicht klarkommen, sich besser einen anderen Job suchen sollten. Was ist der Unterschied zwischen derben Humor und sexueller Belästigung, und wurdest Du schon sexuell belästigt?
Anne: Die Abgrenzung zwischen derbem Humor und sexueller Belästigung kann schon schwierig erscheinen. Jegliche Kommunikation bringt es mit sich, dass der Empfänger etwas anders verstehen kannen, als es der Sender gemeint hatte. Gerade vermeintliche sexuelle Belästigung ist meines Erachtens häufig nur ein Verständigungsproblem. Denn welcher Mann will denn schon „belästigen“? Ich bin mir sicher, dass kaum ein Mann dies vorsätzlich tut, sondern davon ausgeht oder zumindest (unbewusst oder naiv) hofft, dass seine Äußerungen oder Kontaktversuche willkommen sind. Ungeschickte Bemerkungen können zu Missverständnissen führen, oder tatsächlich unbeabsichtigt Grenzen überschreiten. Für erwachsene Menschen sollte es eigentlich kein Problem sein, dann mit Humor, Gelassenheit und Souveränität zu reagieren, und die Angelegenheit klarzustellen.
Normalerweise ziehen sich Männer sehr schnell zurück, wenn man ihnen zuverstehen gibt, dass Annäherungsversuche unerwünscht sind.
Gerade für junge, schüchterne Männer kann es zum Problem werden, dass manche Frauen sehr unwirsch oder gar hysterisch reagieren. Davon abgesehen, dass jede Abfuhr auf das Ego drückt, führt das zunehmend verkrampfte gesellschaftliche Klima und immer weitergehende Verschärfung des Sexualstrafrechts zu einer Situation, in der das Risiko für einen Mann ungezwungen mit einer Frau umzugehen, allmählich untragbar wird.
Um auf den zweiten Teil deiner Frage zu kommen: Ich habe mich noch nie sexuell belästigt „gefühlt“. Aus harmlosen Kleinigkeiten mache ich kein Drama.
Es gibt offenbar Frauen, die sich schon belästigt fühlen, wenn ein Mann einen längeren Blick wagt, als unbedingt nötig. Bei mir müsste dafür ein deutlich massiverer, absichtlicher, körperlicher Übergriff erfolgen, was ich für sehr unwahrscheinlich halte.
Die allermeisten meiner Kunden oder Auftraggeber sind absolut seriös und wollen eine solide Geschäftsbeziehung. Sie verhalten sich entsprechend professionell. Da gibt es höchstens mal sehr dezente Andeutungen, die ohne ausdrückliche Ermunterung recht schnell unterbleiben.
yx: Feministinnen und Politikerinnen wollen mehr Frauen in den MINT-Fächern, also genau dort, wo auch Du arbeitest, sind mit ihrer Förderpolitik aber relativ erfolglos. Was denkst Du, woran liegt das?
Anne: Das ist schlicht eine Folge unterschiedlicher Neigungen und Interessen. Es interessieren sich mehr Männer als Frauen für MINT-Berufe. Das bedeutet natürlich nicht, dass „alle“ Männer für MINT-Berufe geeignet wären, und Frauen generell überhaupt nicht. Aber ein deutlicher statistischer Unterschied in den Berufswünschen ist auf jeden Fall vorhanden.
Frauen stehen heute beruflich alle Türen offen. Niemand hindert sie daran, verstärkt auch MINT-Berufe zu ergreifen. Die meisten tun es jedoch nicht, weil sie andere Vorlieben haben, sprich Berufe vorziehen, bei denen sie mehr mit Menschen zu tun haben. Das ist die freie Entscheidung jedes einzelnen Menschen bei seiner Berufswahl. Nie gab es mehr Möglichkeiten als heute, sich über die unterschiedlichsten, auch unüblichen und außergewöhnlichen Berufe zu informieren.
Zusätzliche – teils kostenintensive – Förderungen nützen niemandem. Möglicherweise ergreifen ein paar Frauen mehr MINT-Berufe, aber ob sich diejenigen später im Beruf wohlfühlen, ist fraglich. Ich sehe ein gewisses Risiko, dass Fördermaßnahmen auch Frauen anlocken, die außerhalb des MINT-Umfelds besser zurecht kämen. Ganz davon abgesehen natürlich, dass diese Förderpolitik Männer benachteiligt und diskriminiert. Ich nenne hier exemplarisch den Girls‘ Day, den man eigentlich als eine gute Sache ansehen könnte, würde er Jungen nicht ausdrücklich die Möglichkeit vorenthalten, genau wie Mädchen in technische Berufe hineinzuschnuppern.
Bisher hat mir noch niemand nachvollziehbar erklären können, welchen Vorteil es hätte, wenn der Frauenanteil in MINT-Berufen steigen würde. Meines Erachtens ist es besser, wenn nur wenige Frauen, dafür aber hochmotiviert und kompetent, im MINT-Bereich aktiv sind, als eine größere Zahl, unter der die Qualität leiden könnte.
Die Politik sollte jeden Schulabgänger dabei unterstützen, den für ihn am besten geeigneten Beruf zu finden, und nicht versuchen, natürliche Präferenzen umzukehren.
yx: Wirst Du für deine männerfreundliche Art von Feministen angefeindet?
Anne: Ja, allerdings.
Ich musste vor einiger Zeit eine mehrmonatige Spamattacke mit gröbsten Beschimpfungen und Unterstellungen weit unterhalb der Gürtellinie über mich ergehen lassen. Etliche Feministinnen scheinen mich als „patriachal gehirngewaschene Geschlechtsverräterin“ zu sehen. Entsprechende Anfeindungen gibt es immer wieder.
Auf der anderen Seite laufen meine Versuche, auf einer sachlichen Ebene mit Feministinnen ins Gespräch zu kommen, und konstruktiv Argumente auszutauschen, größtenteils ins Leere.
Früher mag Feminismus noch eine Existenzberechtigung gehabt haben. Inzwischen sind Frauen längst in ihrer rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung weit an Männern vorbeigezogen. Es geht nur noch um den weiteren Ausbau von Vergünstigungen und Bevorzugung. Zu diesem Zweck ist vielen Feministinnen jedes Mittel recht, auch – oder gerade dann – wenn es das Verhältnis zwischen Frauen und Männern kaputt macht. Männer werden als bedrohlich und bösartig darstellt, Frauen als verängstigt und unfähig, die
eigenen Interessen zu vertreten.
Feministinnen sprechen keineswegs für alle Frauen, erwecken leider erfolgreich den Anschein, es zu tun. So werden häufig pauschal Frauen mit Feministinnen gleichgesetzt. Dabei sehen durchaus viele Frauen den Feminismus sehr kritisch. Es fehlt nur meist die ausdrückliche Distanzierung.
Es ist meine Überzeugung, dass es uns allen am besten geht, wenn sowohl die Belange von Männern als auch von Frauen gleichermaßen berücksichtigt werden. Leider werden Männer oft nicht angemessen gewürdigt, so wie sie es verdienen würden.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen anständig und fair miteinander umgehen, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern wertschätzen, und einander als großartige Bereicherung empfinden.
yx: Vielen Dank, ein schönes Wochenende und viel Glück!
Anne Nühms Blog „Auschfrei“ findest Du hier: *klick*