Ein Kommentar, zu wertvoll, um ihn in der Versenkung verschwinden zu lassen:
Zur Sendung „Harald Lesch: Mythos Geschlecht“: https://www.zdf.de/wissen/leschs-kosmos/mythos-geschlecht-was-maenner-und-frauen-wirklich-unterscheidet-100.html
Harald Lesch sorgt sich um den Mythos Geschlecht – und zwar ganz so, wie die meisten Sendungen im ZDF gestrickt sind: Frauen hui, Männer nicht hui. Woraus folgt, dass auch hier wie immer die Männer zum Maßstab genommen werden woran sich Frauen messen – und daher kommt es, dass Frauen in Bezug auf Männer auf jeden Fall besser sein müssen. Oder in Bereichen, in denen sie nicht bessere „Leistungen“ bringen, nicht genannt werden – während Männer immer genannt werden, wenn sie schlechtere „Leistungen“ als Frauen bringen. Also im Prinzip so wie an der Schule: die Schüler werden in Bezug auf ihre Lehrer immer hochgejubelt, während die Lehrer in Bezug auf ihre Schüler immer relativiert werden. Einfach mal nachgedacht: Frauen möchten sich immer an Männern messen (und besser sein). Und umgekehrt? Soweit ich das überblicke, wollen Männer das gar nicht und haben es auch nicht nötig.
Aber zum Lesch und was er da verzapft.
Beispiel 1: Orientierung. Die Erfahrung sagt, dass Männer sich im Gelände besser orientieren – ob sie es besser können, sei dahingestellt: sie tun’s einfach. Lesch will zeigen, dass diese Erfahrung ein Mythos ist. Wie macht er das? Er setzt 3 Männer und drei Frauen in ein Labyrinth und guckt, wer als erster ankommt. Natürlich – ein Mann (Wird runtergespielt, ist ja auch Zufall). Aber dann: „gleich zwei Frauen“! Oho, klatsch-klatsch! Gleich zwei Frauen! Was für eine Leistung! Toll! Die Frauen haben die hervorragenden Spitzenplätze 2 und 6 besetzt, während der erste Mann, der überhaupt angekommen ist, nur der sechstletzte war.
Aber – ähem – was soll der ganze „Test“ eigentlich bezüglich Geländeorientierung aussagen? Ein Labyrinth ist kein Gelände, der natürliche oder später ausgebildete Orientierungssinn hilft in einem Labyrinth gar nichts. Wir Menschen sind Labyrinthe nicht gewöhnt, und wer sich supergut in Labyrinthen bewegen kann, der kann deswegen noch lange nicht im Gelände navigieren. Ratten sind gut in Labyrinthen – aber die wohnen auch gerne in labyrinthähnlichen Behausungen. Halte ich für sehr wahrscheinlich, dass die da gut trainiert sind. Aber Menschen haben mit Labyrinthen gar keine Erfahrung – daher muss man das auch gar nicht erst messen, es sagt einfach gar nichts aus über den Orientierungssinn.
Beispiel 2: Männermedizin. Oha, Frauen werden von der Pharmaindustrie vernachlässigt. Wußten Sie das? Die Pharma-Industrie hat in den Nachwehen des Contergan-Skandals Medikamententests in den letzten 40, 50 Jahren hauptsächlich an Männern durchgeführt. Die Industrie hätte im Falle von Föten-Schädigungen enorme Reparationen zahlen müssen, deswegen wurden Pharmastudien doch lieber an Männern vorgenommen. Vor allem in den frühen Phasen I-III ist das durchaus mit gesundheitlichen Risiken verbunden – und die mutet man lieber Männern zu, die jammern nicht so. In den letzten Jahren ist allerdings bekannt geworden, dass viele pharmakologische Substanzen – o Wunder – auch mit Hormonen interagieren, und Frauen (die ja laut Leschs Anmoderation irgendwie doch ganz genau wie Männer funktionieren, aber gleichzeitig auch völlig anders) reagieren auf Medikamente – äh – nicht wie Männer. Vieles, was bei Männern hilft, zeigt bei Frauen keine Wirkung, das bemerkte man, aber man traute es sich auch nicht so richtig zu testen – man darf Frauen eben keinen Schaden zufügen, auch nicht aus Versehen.
Jetzt stellt Lesch diese Rücksichtnahme so hin, als sei die übergroße Vorsicht der Pharmaindustrie gegenüber Experimenten an Frauen ein Indiz für eine fokussierte „Männermedizin“ – als sei es nur darum gegangen, Männer gesund zu machen, Frauen seien der Industrie egal. Das ist – mit Verlaub – Unsinn. Ich hab jahrelang Pharmastudien begleitet: hier ging es nicht darum, Männermedizin zu machen, sondern man wollte vor allem keine Frauen schädigen. Denn Schwangerschaft kann man mit Sicherheit nur ausschließen, wenn man einen Bluttest macht: man muss also eine Frau pieksen, nur weil sie eine Frau ist. Ich hatte eine Studie, wo ernsthaft diskutiert wurde, dass man Männer – aus Gründen der „Gerechtigkeit“ – ebenfalls piekst, aber das gewonnene Blut nicht verwendet und wegwirft. Das ist nicht etwa deswegen verworfen worden, weil es ein unfassbarer Blödsinn war: es ist nur deswegen verworfen worden, weil man rechtlich keinen Menschen pieksen darf, wenn man nicht muss – auch dann nicht, wenn der Patient sich schriftlich damit einverstanden erklärt. Und die Männer musste man nicht pieksten, also durfte man es schlicht nicht.
Dann wird es bei Harald Lesch zu diesem Thema noch ein bisschen wissenschaftlich (Arthrose-Forschung) – aber das Thema ist und bleibt völlig verfehlt. Was das mit dem Mythos Geschlecht zu tun hat erschließt sich mir nicht.
Beispiel 3: Frauenarbeit. Lesch hat mitbekommen, dass die Grabbeigaben von vor Jahrhunderten Bestatteten in Hall/Österreich für Männer und Frauen nicht so unterschiedlich waren wie man es aus anderen Grabstätten kennt. Ok, die Leute arbeiteten in Hall vor ihrer Bestattung im Salzbergwerk, und anhand der Knochenbefunde kann man zeigen, dass die Frauen schwere Salzplatten getragen haben mussten, die die Männer vorher aus dem Gestein geschlagen hatten. Auch hier sei also ganz deutlich zu sehen, dass Männer und Frauen in ihren Fähigkeiten völlig gleich seien: die Vorstellung, dass Frauen in der Vorzeit in den Höhlen rumgesessen hätten und die Männer sich draußen „kaputtgeschuftet“ hätten sei also damit eindeutig widerlegt.
Hä, was ist das denn für eine Vorstellung? Habe ich noch nie gehört: ich hab gehört, die Frauen hätten die Kinder versorgt und Pflanzen gesammelt, während die Männer – auch gemeinschaftlich – eiweißreiche Nahrung gejagt haben. Mir scheint einleuchtend, dass diese Arbeitsverteilung über die Jahrhunderttausende sehr praktisch war. Und auch, dass die Frauen mit den Kindern zusammen mehr in Gruppen gelebt haben: die heute übliche Einfamilien- bzw. Hochhausvereinzelung gab es noch nicht, da war es sicherer in größeren Gruppen. Das war natürlich auch damals schon stinkgemein von den Männern, die Babys nicht mit auf die Jagd zu nehmen. Und ich bin auch überzeugt davon, dass es damals unter dem Druck von grauvorzeitlichen Feministinnen Sippen gab, in denen Männer Babies und Kleinkinder solidarisch mit auf die Jagd genommen haben. Aber diese Sippen sind wahrscheinlich – aus völlig anderen Gründen natürlich – ziemlich schnell verhungert. Ganz bestimmt aber NICHT, weil man mit seinem Kind im Arm dem Beutegut nicht die ungeteilte Aufmerksam widmen kann: das freut den Bären, aber hallo! Ein paar Enten werden noch dringewesen sein, aber auch dafür muss man die Kleinen kurz ablegen. Und findet sie hinterher nicht immer wieder, gefressen oder verloren, wer weiß das schon. Was für die ganze Gruppe sicher auch nicht gerade ein evolutionärer Fortschritt war, denn merke: wem die Kinder abhanden kommen, der stirbt aus. Ist ja heute auch nicht anders.