Es folgt ein Beitrag von Elmar; vorhergehend in der Serie: Puer Robustus – Sigmund Freud
Ich rufe in Erinnerung, dass das Darlegen einer politischen oder philosophischen Position nicht bedeutet, dass man sie sich zu eigen macht.
Es wird Zeit für einen soziologischen Blickwinkel zwischen 1930 und 1940 auf den puer robustus I.S.v. Hobbes, nach dessen Ansicht der puer robustus ein Vertreter eines radikalen Individualismus ist. Im Einzelnen geht es um die Beiträge von Carl Schmitt, Helmut Schelsky und Max Horkheimer. Auch Leo Strauss kommt zu Wort, der normalerweise zu den politischen Philosophen gezählt wird.
Auf unserer spracharchäologischen Suche nach den kulturellen Ursprüngen des Verständnisses von Männlichkeit, referiere ich heute in zweiter Hand die Ideen des 20.ten Jahrhunderts zu unserem Thema aus dem Buch Puer Robustus (2016) von Dieter Tomä.
1. Carl Schmitt
Schmitt sieht den Staat in einer Krise in Sachen Parlamentarismus, Demokratie und Modernität und begibt sich in besten Absichten an die Grenze der Ordnung, an der sich Fügsamkeit oder Widersetzlichkeit der Menschen zeigen und an der sich der puer robustus herumtreibt. Diese Staatskrise hat nach Schmitt zwei Quellen: Der Liberalismus schädigt die Politik von innen, und die Ökonomie schädigt die Politik. Sie wirken aufs Engste zusammen, denn sie haben die gleiche Wurzel: den Individualismus.
Der Liberalismus hat sich der Freiheit des Einzelnen verschrieben und diese Freiheit als negative Freiheit, also als Freiheit vom Staat ausgelegt. Der staatsfeindliche Kern des Liberalismus höhlt die Macht aus, die der Staat doch zum Einsatz gegen äußere und innere Feinde benötigt. Im Parlamentarismus wirkt sich die liberale Antipolitik so aus, dass die Willensbildung auf die Händel zwischen Lobbys, Parteikoalitionen und großkapitalistischen Interessenverbänden, auf den täglichen Kompromiß heterogener Mächte und Verbände reduziert wird. Die liberal geprägte Demokratie schließlich zeigt die Karikatur des Volks als Souverän, der durch eine völlige Privatisierung auf den Hund gekommen ist. Die Politik als Kampf der Meinungen ist nur ein Auswuchs der Ökonomie des Wettbewerbs, in der das Eigeninteresse dominiert. Der Liberalismus versucht demnach, die politische Sphäre dem Ökonomischen zu unterwerfen, und führt letztlich zu einer Welt ohne Politik.
Schmitt’s Vorschlag zur Bewältigung dieser Krise besteht, darin, den Parlamentarismus abzuschaffen, den modernen Staat durch den totalen Staat zu ersetzen und die Demokratie so umzudeuten, dass sie sich in den totalen Staat einfügt. Das Individuum wird politisch überwunden und in die Homogenität des Volkes hergestellt.
Schmitt’s Vorschlag kommt nicht unerwartet: Im Anschluß an Hobbes koppelt er die Macht des Staates an die Aufrechterhaltung der Moral gegen das Böse im Menschen, der von Natur aus dumm und roh, aber – im Gegensatz zu Hobbes Einschätzung – nicht erziehbar ist, so daß der Vorrang der politischen Macht des Staates als höchste sittliche Instanz unvermeidbar ist, weil der Mensch die Überwindung des Bösen und des Chaos aus eigener Kraft nicht schaffen kann. Entsprechend sind Störenfriede als Feinde aufzufassen – von denen er vier unterschiedliche Typen erkennt:
a) Der Anarchist: Dieser radikalste Typ bekämpft den notwendigerweise Unfreiheit bringenden Staat in jeder Erscheinungsform, insofern er an das natürliche Gute im Menschen und seine Fähigkeit glaubt, die richtigen Formen des politischen Lebens aus sich selbst heraus zu entwickeln. Daher ist der Anarchist kein Schwellenwesen im engeren Sinne des Wortes.
b) Der Egoist: Darunter versteht Schmitt politische Störenfriede, denen der höhere Anspruch auf gesellschaftliche Befreiung sowie die moralische Selbstverpflichtung des Anarchisten fehlt. Sie verbreiten sich als Folge eines zu schwachen Staates, der schwach ist, weil er das Böse im Menschen für überwindbar hält. Schmitt lehnt daher auch den aufklärerischen Rationalismus ab. Sofern also der Staat eine Instanz ist, die sich aus dem egoistischen Eigeninteresse der Menschen ableitet, repräsentiert er nichts Höheres, sondern ist Mittel eines Niedrigeren, nämlich der frierenden Wilden oder der Naturmenschen, die sich unter das schützende Dach des Souveräns drängeln. Doch nach Schmitt sollte der Staat nicht liberal sein und sich den Individuen auslieferen, die unfähig sind, ihren Egoismus zu überwinden. Und wenn das Gute nicht von unten kommen kann, dann muß es eben von oben kommen: Der Staat muß die Um- und Neuformung des Menschen via Zwang betreiben und festlegen, was gut ist. Diese Vereinheitlichung betrifft auch die Sprache, die Gedanken der Menschen und ihre rassische Artgleichheit
c) Der Jude: Er repräsentiert nach Schmitt das Chaos in dem Sinne, als er die rassische Artgleichheit stört, was ihn ebenfalls zu schwach mache. stigmatisiert. Die Juden – so Schmitt – hätten im staatlichen Rechtssystem mit der Gedanken- und Glaubensfreiheit eine Nische geschaffen, in der sie als andere Art überleben können; auf diese Weise hätten sie den Staat schlechthin seiner Grundfesten beraubt.
d) Der Partisan: Dieser Typ tritt erst auf, wenn der Staat bereits in seinen Grundfesten erschüttert ist. Seine genuin politische Agenda eint den Partisanen mit dem Anarchisten und unterscheidet ihn vom egoistischen Störenfried, der nur private Interessen vertritt. Der Legitimität beanspruchende Partisan wird nicht von vornherein als böse verurteilt, da der Staat als Hüter der Moral bereits hinfällig ist und von den Partisanen bereits aus eigener Anschauung und Rechtfertigungszwang als böse deklariert wird.
2. Leo Strauss
Auch Leo Strauss ist auf der Suche nach der rechten Ordnung des Zusammenlebens in einer depolitisierten, amoralischen Welt, in der jeder glücklich und zufrieden darauf setzt, daß die politische Ordnung ungestört ist und somit als Rahmen für seine Geschäftstätigkeit genutzt werden kann. Strauss hält die offene Gesellschaft des Liberalismus für moralisch unterlegen, für einen Treffpunkt derjenigen, die Lust und Gewinn, verantwortungslose Macht und tatsächlich alle Arten der Verantwortungslosigkeit und des Mangels an Ernsthaftigkeit suchen und schlägt sich auf die Seite der geschlossen Gesellschaft. Nach Strauss verhält sich die offene Gesellschaft parasitär zur geschlossenen Gesellschaft, sie verfügt über keine eigene Kraft, um ihren Zusammenhalt zu sichern, und zehrt heimlich von den Restbeständen der alten Moral. Ihr Sieg basiert auf Heuchelei Entsprechend entbehrt die Gesetzestreue der Individuen der Verlässlichkeit. Der puer robustus hat in dieser Situation die Aufgabe, die Prinzipien der modernen Zivilisation anzuzweifeln und sich von Autoritäten nicht länger beeindrucken zu lassen. Doch Strauss‘ Protest will nicht Partei in einem historischen Streit zwischen Alt und Neu sein, sondern ein Protest dagegen, sich diesem historischen Prozess auszuliefern. Gemäß der Trias Moral, Macht und Geschichte heißt dies, dass Strauss sich nicht den Unwägbarkeiten der geschichtlichen Entwicklung ausliefern will, sondern ihr eine Ordnung als geschlossene Gesellschaft entgegenhält, in der die Macht moralische Maßstäbe sichert. Diese Ordnung entsteht nach Strass aus einer Bewegung weg vom Primat der Geschichte zum Primat der Natur. Opferbereitschaft, Tapferkeit und Ernst sind die Haltungen, die dieser Bewegung angemessen sind.
Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral kann nach Strauss nur gesichert werden, wenn der Staat nicht auf die Unterstützung der Individuen schielt, sondern als Macht absolut gesetzt wird, die allen bösen, aufrührerischen Neigungen entgegentritt. Er soll nicht nur wie im Liberalismus von Hobbes Einzelinteressen arrangieren, sondern selbst im höchsten moralischen Sinn gut sein. Die Befriedungspolitik, die das Zerstörungspotential des Menschen als unschuldige Bosheit des Tieres auslegt, bleibt unzureichend, denn Wohlstand heilt nicht das tiefste Böse – eine Annahme, vor der Hobbes zurückschreckte. Daher ist Unterdrückung gleichursprünglich mit Gesellschaft. Die Verteidigung des Staates läuft bei Strauss darauf hinaus, dass er sich am Guten zu orientieren hat und dass nur er diesem Guten Geltung verschaffen kann. Gemäß der moralischen Fundierung der Politik, die Strauss von Hobbes übernimmt und verschärft, ist der Staat zur Stärke verpflichtet. Der Kampf gegen das Böse, das Strauss am puer robustus festmacht, rechtfertigt die Machtfülle des Staates.
Was hindert Strauss im Ergebnis daran, Staatskritik auch nur im Ansatz zuzulassen, so daß er auch nichts mit er guten Version des puer robustus anfangen kann? Strauss hat dafür zwei Gründe:
a) Wenn denn so etwas wie Rebellion nach Strauss überhaupt zulässig sein sollte, dann müsste sie dem Staat, gegen den sie sich wendet, moralisch überlegen sein. Diese Überlegenheit müsste sie durch philosophische Einsicht rechtfertigen. Doch der Aufständische, der sich im Recht sieht, kann nur ein Aufschneider oder Sektierer sein, denn die Weisheit sei dem Menschen generell unzugänglich.
b) Nach Strauss zeichnet sich das staatliche Handeln dadurch aus, dass es durch die schiere Ausrichtung an der Gesetzesform der Verallgemeinerung von Regeln zuarbeitet, welche eine notwendige Bedingung der Moralität ist – ein Gedanke, der offenbar auf Kant zurückgeht.
Die Vorstellung, dass der individuelle Verstoß als Vorstoß zur politischen Veränderung gerechtfertigt sein i.e. über subjektives, privates Meinen hinausgehen kann, leuchtet Strauss nicht ein. Denn der Mensch ist von Natur aus böse, so daß Staatsgegner nur von selbstgefälliger Zerstörungslust und Heimtücke getrieben sein können.
3. Helmut Schelsky
Bei Schelsky kann man wenigstens zwei Phase unterscheiden: Vor 1945 lehnte Schelsky jeden Individualismus strikt ab. Sein Verhältnis zum störenden puer robustus ist entsprechend unterkühlt. Anders als bei Schmitt ist bei Schelsky in dieser Phase der Staat jedoch nur Mittel zum Zweck, und darf daher das Volk nicht unterdrücken. Stattdessen ist primär das Leben des Volkes maßgeblich, in dem das Leben der einzelnen Individuen zu einer Gemeinschaft vollständig fusioniert. Wahrer Sozialismus liegt nach Schelsky darin, Leute, die für das Volk ihre Leistung nicht erfüllen oder es sogar schädigen, auszuschalten oder sie sogar zu vernichten. Was dem puer robustus in dieser Phase bleibt, ist die Rolle des Volksschädlings.
Gleichzeitig verabschiedet sich Schelsky von der Grundsatzdiskussion um das Böse oder Gute des Menschen, da sie den geschichtlichen Prozeß der Umformung und Selbstformung, die dem Menschen offensteht, und ihm die Umdeutung des Guten und des Bösen ermöglicht, unterschlägt: Der Mensch ist von Natur aus weder gut noch böse, sondern vor allem eines: mächtig. Mit dieser Marginalisierung der Moral stellt er sich gegen Strauss, mit der Dynamisierung der Macht gegen Schmitt.
Die Frage »Wer stifftet die Ordnung?« treibt Schelsky aber weiterhin um. Der Zugang zum Staat ergibt sich nach Schelskys aktivistischer Hobbesinterpretation bottom-up, er muss also an die Schwelle zurückkehren, an der sich die Spreu vom Weizen, der puer robustus vom gesetzestreuen Bürger trennt. Auf der einen Seite erheben sich somit diejenigen, die staatsgefährlich und staatsfeindlich sind und auf eigene Faust durchkommen wollen. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die staatstragend oder staatsgestaltend wirken.
Den Staatsfeind will Schelsky aber nicht, wie Leo Strauss, in die Ecke des Bösen stellen. Er meint vielmehr, ihn einer falschen Selbstsicht oder eines falschen Lebens überführen zu können: Der Störenfried widerspricht sich selbst, indem er durch die Art, wie er handelt, dieses Handeln selbst, also sein Machen-können beschädigt. Der Mensch betreibt folglich eine kontraproduktive Einschränkung seiner Machtentfaltung, wenn er sich gegen andere stellt und sich mit ihnen herumschlägt. Will er das Vollgefühl der eigenen Macht aufrechterhalten, muss er Un- und Missstimmigkeiten abschaffen. Dies gelingt, wenn er sich in absoluter Hingabe mit dem Staat identifiziert. Der Neigung, zum puer robustus zu werden, tritt Schelsky somit mit dem Versprechen entgegen, dass dem Menschen im Staat eine unüberbietbare Machtfülle zuteilwerde, ein Gemeinschaft des Handeln auf Weg zu seiner persönlichen Vollkommenheit.
Entsprechend deutet Schelsky Männlichkeit vor allem als Kampfbereitschaft.
Der Haken an Schelskys Übergang von der Aktion zum totalen Staat ist leicht zu erkennen: Die Macht wird zwar gesteigert, aber sie lässt sich den Menschen gar nicht mehr persönlich zuschreiben, es kommt vielmehr zu einer Machtübertragung an die staatliche Führung. Die erreichte Einheit basiert auf einer mentalen Identifiktion, sie ist eine nur fiktive Einheit und dem Individuum bleibt nur Gefolgschaft.
Damit kommt der puer robustus aus der Defensive, in die ihn Schelsky zunächst abgeschoben hat. Da er sich dem Staat nicht ausliefert, ist er eigentlich der Einzige, der als Aktivist wirklich anzuerkennen ist. Wer auch immer seine Aktivität oder Macht bei sich behält, übernimmt Charakterzüge des puer robustus, wird zu einem Quell der Unruhe. Es gibt eine Ordnung, die diesen Quell sprudeln lässt, doch sie kann nicht Schelskys Volksstaat, sondern nur die Demokratie sein. So kann man in dem Störenfried, der die Verselbständigung staatlicher Macht verhindert, einen Staatsfreund eigener Art sehen: einen Freund, der den Staat davon abhält, seine Rolle zu übertreiben.
Nach 1945 wendet sich Schelsky der Soziologie und der empirischen Sozialforschung zu und behandelt vor allem ein großes Thema: die Jugend, in denen er nicht einen Störfaktor oder Unruheherd sieht, sondern eher eine Generation im Vorruhestand, die politisch nicht mehr macht, als die Demokratie über sich ergehen zu lassen. Denn die Aufgabe des Staates sieht er nun in der Schaffung eines geordneten Rahmens für ein ungefährdetes Leben und die Pointe der Freiheit sieht Schelsky nun in der Sorglosigkeit, nicht aber in der Freiheit des Bürgers gegenüber dem Staat. Damit gründet Schelsky den immer paternalistischen Staat genau wie Hobbes auf die Bedüfnisse seiner Bürger.
Insbesondere will Schelsky mit nationalsozialistischen Ideen nichts mehr zu tun haben. In seinem Buch Die skeptische Generation von 1957 verabschiedet er sich von den Umsturzphantasien der Jugendbewegung und implizit auch von seinen eigenen Umtrieben um 1933.
Auch der wilde Mann im puer robustus wird nun von Schelsky ruhig gestellt durch die pflichtmäßiges Daseinsvorsorge des Wohlfahrtsstaates: Das Grundbedürfnis der Jugend besteht nach Schelsky in der Überwindung von Verhaltensunsicherheit und in der Einkehr in eine Heimat. Sie will nach Schelsky nur dazugehören und daß es ihnen besser geht. In dieser politischen und organisatorischen Passivität, der Sehnsucht nach Anpassung sieht Schelsky eine gute Nachricht.
4. Max Horkheimer
Den puer robustus erwähnt Horkheimer nicht explizit, wohl aber den kleinen Wilden, ohne dafür Diderot als Quelle anzugeben oder auch auf Freuds Verwendung dieses Ausdrucks als Beinamen für Ödipus Bezug zu nehmen. Doch Horkheimer zufolge lässt sich die Revolution, die Hobbes für das absolute und furchtbarste Verbrechen hält, nicht als Ausdruck bloßer Unvernunft wie bei Hobbes werten. Angesichts der gesellschaftlichen Ungleichheiten, ist es für die Störung vielleicht sogar höchste Zeit: Die Störung der staatlichen Ordnung liegt im Interesse derjenigen Menschen, wenn seine Lage unerträglich ist. Insbesondere übersteigt die wachsende Zahl der Rebellen die Zahl der Idioten. Horkheimer will den Staat nicht vor dem Individuum retten, er sucht im Individuum eine Instanz, die den autoritären Staat bekämpft. Doch er tritt auf Menschen, die individualistisch verformt sind. Die Unbotmäßigkeit der Trittbrettfahrer, Mafiosi und anderer Gesellen bleibt borniert, das politische Potential des Störenfrieds ist geschwächt. Zu den bisherigen Typen des puer robustus sieht Horkerheimer damit einen weiteren hinzutreten, bei dem ihn das kalte Grausen packt.
Denn nach Horkheimer greift eine andere Art von schrecklicher Störung um sich, eine gestörte Störung, die eine Allianz mit der Ordnung bildet, insofern das Individuum sich in einem besonderen Verhältnis der Entfremdung, Isolation und Verachtung zu anderen und zu sich selbst befindet, so daß sich die egoistischen, ausschließenden, feindseligen Seiten der Menschen ausbilden: Horkheimers Gesellschaft besteht eigentlich nur noch aus Feinden und somit von Störenfrieden. Hinzu kommt eine alltägliche Erfahrung faktischer Machtlosigkeit und Unfähigkeit. Die Folge ist, daß der Störenfried die Nase voll hat von sich selbst und seine Antriebe sind hauptsächlich Selbsterniedrigung und Selbstverachtung. In seiner Selbstverneinung schüttelt der Störenfried alles Individuelle von sich ab. Damit bleibt nur noch seine Bestimmung als Massenwesen. Indem sich dieses Massenwesen in den Kampf gegen die bestehende Gesellschaft begibt, tritt er als neuer Typ des puer robustus, als massiver Störenfried auf.
Fluchtartig verlässt folglich dieser Störenfried seine Rand- oder Schwellensituation und ersetzt innere und äußere Fremdheit durch totale Zugehörigkeit und Unterwerfung. Diese Selbstverneinung ist nach Horkheimers Erklärung ein wichtiges Element der Massenmobilisierung durch den Nationalsozialismus und der Identifikation des Individuums mit einem Führer.
Anders als die anderen Hobbes-Interpreten seiner Zeit lässt Horkheimer folglich nicht die staatliche Ordnung gegen Rebellen oder Abenteurer antreten, sondern er beschreibt, wie sich diese Ordnung selbst faschistisch abwandelt und den Störenfried zu ihrer Kampfmaschine machen kann.
Eine andere Variante des kleinen Wilden entwickelt Horkheimer durch eine Kombination von zwei Einstellungen: Die massive Störung, in der die Individuen ihre Unterwerfung genießen, verbindet sich bei ihm mit der egozentrischen Störung, mit der Individuen rücksichtslos ihr Ding machen. Der kleine Wilde ist nach Horkheimer notgedrungen eine Art Hybrid: Er flüchtet sich mangels eines beständigen, unabhängigen Ichs in eine Bande, in der er sich stark fühlt, und verhält sich doch wie ein berechnender kleiner Erwachsener, der ständig für sich selbst sorgen muss. Er ist befangen in der Verherrlichung der Autorität an sich, ohne bestimmte Vorstellungen von dem Zweck, dem die Autorität dienen soll, und gefällt sich zugleich in seiner eigenen Hartgesottenheit und seiner kalten Gier nach Macht. In dieser Verbindung von Unterwürfigkeit und Kälte lebt sich vor allem ein sado-masochistischer Charakter aus.
Zu Part Twelve.
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