Als Mann (nicht) weinen oder über partiell-traditionelle Rollen

Die große Männerfreundin Esther Vilar sagte mal, ihr sei ein Mann lieber, der nicht weint.

So. Ich selber weine auch nicht so gerne. Vor Zeugen. Und als Männerrechtler, der die traditionellen Geschlechterrollen ablehnt – er im Werk, sie am Herd – komme ich dabei in Erklärungsnot, auch mir selbst gegenüber.

Denn die traditionelle Rolle des Mannes hat es in sich, steht für Ausbeutung und Leid, das man zu ertragen hat. Er soll eben nicht weinen, sondern er soll arbeiten, kämpfen, schaffen. Der Mann soll nicht weinen, sondern andere totschießen und sich totschießen lassen.

Und da sind wir dann bei „toxischer Männlichkeit”; ist nämlich laut Feministen alles dieselbe Sauce: Hier weigert er sich zu weinen, dort wird er in den Kriegsdienst gepresst, „führt also Krieg“, ist also als Mann daran schuld, dass es Kriege gibt: Alles toxische Männlichkeit. Ist natürlich Humbug: Ob im Kleinen wie im Großen: Frauen zanken und streiten sich, üben Gewalt gegen Schwächere aus – Alte, Pflegebedürftige, Kinder und auch Männer, und führen als Herrscherinnen Krieg. Der Punkt, dass also Männer weinen sollten, für eine bessere und friedlichere Welt sticht also nicht.

Und auch wenn man die traditionelle Rolle ablehnt, kann man dabei verbleiben, dass man selbst – jeder entscheide das für sich – nicht weint, sich aber dennoch dagegen verwahrt, als Mann zum Unterhaltssklaven gemacht  zu werden. Oder von seinen Kindern getrennt zu werden mit der Begründung, dass man ihnen in der männlichen Rolle als Arbeitsesel ja sowieso nicht so nahe stände.

Ich fühle instinktiv, dass ich vor (m)einer Frau nicht weinen will. Andererseits will ich auch nicht herabgesetzt werden, oder einen Vertrauensverlust erfahren, wenn ich vor meiner langjährigen Ehefrau doch mal in Tränen ausbreche – auch wenn ich mich bemühen würde, das zu zügeln. Damit fühle ich mich wohler, und (m)eine Frau wohl auch, die einen Rollentausch hier und dort nicht als befriedigend erleben würde, wenn sie ihren Mann auf ein Bett aus Rosen betten würde – Nee. Und sie wäre dennoch emanzipiert.

Das eine bedingt nicht das andere: Nur weil ich die männliche Eigenart des Nichtweinens für mich in Anspruch nehmen will, heißt das nicht, dass man mich auch ansonsten auf die männliche Rolle festnageln darf mit all den Grausamkeiten, die dazu gehören, wie zum Beispiel dem Kriegsdienst oder das Verweigern von Hilfe:Kann nicht um Hilfe fragen (weinen), also selber schuld!

Aber meinen es Feministen nicht gut mit Männern, wenn sie für sie das Recht einfordern, auch weinen zu dürfen; haben sie damit nicht nur das Beste für sie im Sinn? Siehe hier.

Andersrum: Warum es problematisch ist, dass Männer keine Schwächen zeigen dürfen.

10 Gedanken zu „Als Mann (nicht) weinen oder über partiell-traditionelle Rollen

  1. weiss_auch_nicht

    Seine Gefühle zu kontrollieren ist nicht nur die Voraussetzung dafür nützlich zu sein.
    Es ist auch elementar wichtig dafür gut zu sein. Ethisches Handeln ist ohne Emotionskontrolle so gut wie unmöglich. Wer in seiner Angst, Hass oder Verzweiflung wehrlos versinkt, ist zu quasi jeder Monstrosität fähig.

    Das ist wie mit Empathie: Je unkontrollierter jemand mit einem „Opfer“ mitfühlt, desto mehr ist er bereit, dem „Täter“ ein Leid anzutun.

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  2. beweis

    Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen Male Tears und Female Tears. Male Tears entwachsen in der Regel echter Verzweiflung und werden von Frauen gerne gesammelt, arrogant in Fläschchen abgefüllt – und oft ergötzen sie sich sogar daran. Deswegen möchten sie mehr davon.
    Female Tears sind hingegen vor allem bei Männern Trigger, die sie zum Helfen, zum Unterstützen, zum Retten animieren. Und sie werden sehr oft auch genau zu diesem Zweck produziert.
    Wenn mit Male Tears auch dieses Ziel verfolgt würde, dann würden Männer nicht bevorzugt alleine weinen und das niemanden merken lassen. Denn sie wissen, dass ihre Tränen den Rest der Welt eben nicht dazu bringt, ihnen helfen zu wollen.

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    1. uepsilonniks Autor

      Hinzukommt, dass weibliche Tränen oft Fake sind. Viele Frauen können auf Knopfdruck weinen, nicht weil sie wirklich in Not sind, sondern wie Du ja sagst, um irgendein Ziel zu erreichen.

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  3. Robert W

    Feministen kämpfen also dafür, dass auch Männer weinen oder Röcke/Kleider tragen dürfen. Es interessiert sie aber nicht, was die Männer selber wollen, oder welche Bedürfnisse (hast ja ein paar unserer realen Probleme beschrieben) sie wirklich haben.
    Andererseits scheint das Weinen von Männern einen kulturellen Hintergrund zu haben. Ich hab mal eine Geschichte in 1001 Nacht gelesen, wo der Held (ein Prinz auf der Suche nach seiner Liebe) gefühlt auf jeder Seite zweimal zu Weinen begonnen hatte (ich gestehs, hatte mir damals auch gedacht, was für ein Schwächling der wäre…).
    Und nochmal andererseits sind Männer wohl tatsächlich nicht so ihren Emotionen unterworfen wie Frauen (die manchmal tatsächlich weinen müssen, obwohl sie es gar nicht wollen).

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      1. Robert W

        Nur so anekdotisch.
        Dass man bei uns als Mann nicht weint, wird ja auch kleinen Buben so (von ihren Erzieherinnen) beigebracht (Buben weinen ja durchaus auch).
        Und mein Gegenbeispiel war diese Geschichte aus 1001 Nacht, die mMn belegt, dass da, wo diese Geschichte herkommt, zumindest zu einer gewissen Zeit, Weinen der Männlichkeit keinen Abbruch tat.

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        1. uepsilonniks Autor

          Ach so.

          Jungen zu sagen, sie sollen nicht weinen, ist aber inzwischen politisch unkorrekt. Auch wenn es ihnen nichts bringt, denn Männern wird so oder so nicht geholfen.

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          1. Mathematiker

            Wenn Frauen weinende Männer attraktiv fänden, dann gäbe es Heul-Wettbewerbe und -Meisterschaften überall auf der Welt.

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