Djadmoros: Links, Rechts, Reichtum

Ein Kommentar, zu wertvoll:

@weiss_auch_nicht:

»Ist die Überzeugung eines Linken, dass die konkret vorliegende Schichtung der Gesellschaft schlecht/verbesserbar ist? Oder glaubt er, dass Schichtbildung an sich optional ist und daher idealerweise vermieden werden sollte?«

Zunächst mal sind »Links« und »Rechts« Relationsbegriffe in einem Kontinuum politischer Standpunkte, das heißt: »Links« ist alles, was nicht »Rechts« ist und umgekehrt. Das bedeutet zum einen, dass es sinnlos ist, wie heute üblich, »rechte« Standpunkte per se als irgendwie »böse« zu framen, und zum anderen, das »links« ein breites Spektrum von Standpunkten vom klassischen Sozialdemokraten bis zum doktrinären Kommunisten umfasst. Meistens wird das Bild von letzterem bemüht, um ersteren anzugreifen.

Jetzt kommt es darauf an, welchen »Linken« Du fragst. Du hast mich gefragt, also antworte ich als linksliberaler »Bildungs-Kleinbürger«, der sich auf den Citoyen als bürgerliches Idealbild bezieht, um den Bourgeois damit zu kritisieren.

Es gab mal ein konservatives Modell, die »nivellierte Mittelstandsgesellschaft«, mit der vermutlich die meisten der heutigen Linken glücklich wären (Sarah Wagenknecht zum Beispiel). In dieser gibt es Unterschiede zwischen Arm und Reich, aber auch Massenwohlstand und soziale Sicherheit.

Die Reichen sind aber nicht wie unsere heutigen West- und Ost-Oligarchen obszön reich, und die Armut der Armen ist zumindest nicht existentiell, wie sie das heute als »working poor« im Niedriglohnsektor oder als verarmte Rentner sind. Und die Ängste des hamsterradelnden Bürgers sind dort ebenfalls nicht existenziell, weil ein Absturz keinen Absturz ins Bodenlose bedeutet.

Nach vierzig Jahren neolioberalem und globalisiertem Kapitalismus klafft die Schere des Wohlstands so weit auf, dass die Reichen sich den Rest der Gesellschaft einfach kaufen können, und zwar inklusive aller Institutionen, die eigentlich die Autonomie und Souveränität des Staatsbürgers schützen sollen, nämlich Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft.

Deine Existenzängste kannst Du heute nur noch auffangen, indem Du bereit bist, die Ideologie eines Oligarchen und schlucken und wiederzukäuen. Als Politiker, Medienschaffender und Wissenschaftler. Weil das Modell des abhängigen und zur Loyalität verpflichteten Gehaltsempfängers schleichend und durch Hintertüren auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgedehnt wird.

Die alte sozialistische Utopie einer »Überwindung des Kapitalismus« ist dagegen in keiner Weise planbar, weil Geschichte nicht planbar ist. Ich denke aber, dass wir in fünfzig bis hundert Jahren im Rückblick auf viele kleine und inkrementelle Veränderungen sagen werden, das wir nicht mehr in einer kapitalistischen Gesellschaft leben. Im schlechtesten Fall darum, weil sie neofeudal geworden ist.

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