Archiv der Kategorie: Männlichkeit

Billy Coen: Auf einer einsamen Insel…

Ein Kommentar, gar köstlich:

Sehr anschaulich sind da wohl Sendungen der Art „Gruppe von Männern und Gruppe von Frauen kommen auf einsame Insel“ gewesen. Das, was sich da vollzog, konnte kaum klischeehafter sein. Die Jungs haben relativ schnell Gruppenstrukturen ausgehandelt gehabt und für sie entwickelte sich das zu so einer Art chilligem Bro-Camp, die Frauen haben sich von Anfang an nur gegenseitig angezickt und mussten schon früh die ersten von den Showregeln abweichenden Vergünstigungen kriegen, weil man ihnen sonst beim Verhungern vor laufender Kamera hätte zusehen können.

Es gibt wenig, was mich vermuten lässt, dass es bei einer Stadt/einem Staat nur für Frauen anders laufen würde. Erst recht, wenn die einzigen, die es da hinzöge, sicherlich männerhassende Feministinnen wären, die in der Regel stinkfaul sind und von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. In diesem Fall dürfte die Lebensdauer dieser Stadt/dieses Staates ziemlich identisch sein mit der Zeit, die es dauert, bis es bei einem durchschnittlich gesunden Menschen infolge von Nahrungsmangel zu tödlichem Versagen der Vitalfunktionen kommt.

Aber ganz sicher wären daran am Ende auch irgendwie die Männer Schuld…

Deutschtest

Damals: Uns Schülern wird ein Text zur Erörterung vorgelegt, in dem ein Mann lächerlich gemacht wird, der seine Kleidergröße in einem Bekleidungsgeschäft nicht kennt und der mit dem Fazit schließt, dass die Männer in der modernen Welt so ziemlich aufgeschmissen wären und vom Aussterben bedroht. Und wo kriegen die eigentlich ihre Klamotten her?

Ich kenne das. Ich kenne meine Größe auch nicht auswendig und schaue jedes mal nach, wenn ich Klamottenkaufen gehe – was ich nicht gerade hasse, aber auch nicht mag, es ist eine lästige Pflichtübung. Ich verstehe die Weiber nicht.

Nun, ich schrieb meiner Deutschlehrerin, die sich offenbar am Spott über Männer erfreute, dass die ganze Gesellschaft unter dem Regime der Feministen, welches sich auch in übelwollenden Deutschlehrern zeige, in die Binsen geht, Nein: Dass Männer zu höherem berufen sind als sich um die Kleidungsfrage zu kümmern dass Kleidergeschäfte am Konkurrenzdruck pleite gehen würden, wenn sie sich nicht auf die Bedürfnisse ihrer Kunden, also auch die der Männer, eingehen würden.

Keine Ahnung mehr, welche Note ich bekommen habe. Also eine Eins oder Sechs war es nicht, daran würde ich mich erinnern. Der Punkt ist aber, dass männliche Schüler sich solche Unverschämtheiten gefallen lassen müssen, im „jungenfeindlichen Biotop Schule“ (Geo), in dem jeder Tag ein „Boys Day“ wäre, wie es Ministerinnen ausdrücken.

Mehr Feminismus in der Schule: Abitur: Hamse jedient im Genderkrieg?

Männlichkeit absprechen

Auf einem feministischem Blog kam es mal zu einer amüsanten Szene, die zeigt, das Feministen in ihren Blasen wirklich gar nichts mehr merken, Merkbefreitheit schlechthin repräsentieren. Jedenfalls beklagte sich eine Feministin darüber, dass wenn man Männern ihre Männlichkeit abspreche, diese beleidigend werden und DickPics senden.

Ok…ich muss erstmal mit dem Lachen aufhören…

Mal abgesehen von so einem Mann, der sich wie ein missbrauchtes Kind mit Feminismus identifiziert und deshalb seine Männlichkeit sowieso ablehnt, ist das Absprechen von Männlichkeit eine Beleidigung. Nichts liegt näher, als dass man damit im Gegenzug wieder Beleidigungen erntet. Und ein DickPic – eines, das stramme Einsatzbereitschaft zeigt – ist der Beweis, dass man ein ganzer Mann ist.

Aber Ok: Warum ist das Absprechen von Männlichkeit eigentlich schwerwiegender als das Absprechen von Weiblichkeit, warum kommt es eher zu ersterem? Weil Männlichkeit schwerer zu erreichen und schwerer zu halten ist. Alle Charaktereigenschaften, die einem mehr abverlangen sind männlich, alle anderen weiblich. So ist es zum Beispiel weiblich, Emotionen nachzugeben und auszuleben. Männer hingegen haben sich zu beherrschen. Ein Mann, der sich von Emotionen leiten lässt, taugt nicht mehr für maximale Ausbeutung. Oder ein weiteres, harmloseres Beispiel: Mansplaining. Beim Anbahnen eines Kontaktes, beim Führen eines Smalltalk liegt es meistens am Mann, interessante Themen einzubringen und dazu zu dozieren, womit er auch viele Risiken eingeht. Vielleicht findet er nichts, worüber man sprechen könnte, vielleicht ist sein Thema uninteressant, vielleicht erzählt er etwas, was sie schon weiß. Ein Risiko eingehen: Auch männlich.

Frau ist man einfach so, Männlichkeit muss mühsam aufgebaut zu werden. Deswegen ist das Absprechen von Männlichkeit eine größere Beleidigung als von Weiblichkeit. Das ist auch der Grund, warum Frauenkleidung bei einem Mann als Herabwürdigung empfunden werden kann, während Frauen ohne Probleme in Männerkleidung unterwegs sein können und es auch sind. Welche Feministin im Lesbenlook legt schon wert darauf, weiblich zu wirken? Die bewusste Markierung als weiblich ist ausgerechnet von Seiten der Feministen der Verunglimpfung ausgesetzt: „Pink stinks!“ Es ist erklärtes Ziel der Feministen, dass Frauen wie Männer werden sollen. Wenn nicht aus dem Grund, dass Männer großartiger sind als Frauen sind, aus welchem Grund sonst?

Will Smith ohrfeigt Chris Rock

Geschlechterrollen! Der Mann beschützt seine Frau!

Ja, und dann stirbt er im Krieg, aber darum soll es hier gar nicht gehen.

Will Smith hat auf der Oscar-Verleihung dem Comedian Chris Rock eine Ohrfeige verpasst, da einen Witz über die Frisur von Smiths Frau gerissen hat, die krankheitsbedingt nicht sehr vorteilhaft aussieht.

Ich schwanke in diesem Fall hin und her, kann mich gar nicht entscheiden, auf wessen Seite ich mich schlagen soll.

Erstmal: Ich pflege eine sehr liberale Haltung zu dem, was gesagt werden darf, heißt: Über (fast) alles sollte man Witze reißen dürfen. Zweitens: Auf Worte mit Handgreiflichkeiten zu reagieren finde ich falsch; wenn man nur mit Worten angegriffen wird, sollte man nicht zur Gewalteskalation beitragen – meistens.

Und dieses „meistens“, da sitz‘ ich in der Falle: Denn ich kann gut nachvollziehen, warum Smith eine Ohrfeige ausgeteilt hat und kann nicht ausschließen, dass ich ähnlich handeln würde, und das obwohl ich solchen traditionell-archaischen Rollen das Patriarchat, also die Versklavung des Mannes bis in den Tod, sehe.

Er kämpft für sie. Er stirbt für sie. Aber: Als Held. Der letzte Punkt ist der Grund, warum sich soviele tragisch junge Männer im Krieg verheizen lassen, wobei niemand Heldenlieder auf sie singen wird. Ganz schlechter Deal also, selbst wenn doch noch jemand singen und weinen würde.

Aber Will Smith befand sich nicht auf einem Schlachtfeld sondern auf einer Galaveranstaltung, wo er unter dem Rampenlicht eben jene Persönlichkeit unter Beweis stellte, der er seinen Erfolg verdankt. Er hat seine Frau beschützt, genauer: Gerächt. Manche Feministen sehen darin den Untergang des Mannes, der überfordert wäre mit seiner Männlichkeit, die am Boden liegt und nur zu Gewalt greifen könnte, toxische Männlichkeit halt. Tatsächlich war das aber nicht ein letztes Aufbäumen sondern eine Sternstunde des Patriarchats, da Smith genau das Verhalten zeigte, das von Frauen erwünscht ist, viele von ihnen verteidigten sein Verhalten. Der Mann soll für seine Frau sorgen und sie beschützen, wie es bei jeder kirchlichen Eheschließung heißt – der Grund, warum Frauen das Matriarchat abgeschafft haben.

Ist meine Solidarität mit Männern zu schwach ausgeprägt, wenn ich sage, dass ich unter den gleichen Umständen eventuell auch zugeschlagen hätte? Nun, meine Solidarität mit meiner Familie würde natürlich die gegenüber Fremden stechen, auch wenn meine Frau eine Männerrechtlerin wäre. Ich würde auch meinen Sohn beschützen, das heißt: Ich würde die meinen schützen, nicht weil sie Frauen und ich ein Mann bin, sondern weil sie zu den meinen gehören; nicht aus Geschlechter– sondern auf Familienrollen heraus.

[Nachtrag]

Helfen Sie nicht diesem Mann!

Nehmen wir diese Frau da oben, die auf eine Weise übergriffig ist, für die ein Mann ein metoo an der Backe hätte: Sie spielt mit diesem Mann, wobei sie ihn auch antatscht, was, wie jeder von uns von Feministen gelernt hat, ein absolutes Nogo ist in einer Welt, in der bereits Blicke und Sprüche eine nicht zu tolerierende Unverschämtheit sind. Ihr liegt auch nichts an ihm, sie sucht nicht Nähe oder gar eine Beziehung zu diesem Mann. Er hat einen miesen Job, ist nicht wohlhabend, sieht nicht gut aus und verfügt zudem – KO-Kriterium – noch nicht mal über eine starke männliche Persönlichkeit. Sie spielt nur mit ihm, um anschließend in die Kamera zu grinsen – sie demonstriert Macht, nicht nur ihm gegenüber sondern ganz besonders auch gegenüber dem Zuschauer. Ok, das nehme ich gleich wieder zurück: Nur Männer üben Macht aus, Frauen emanzipieren und empauern sich.

So: Bin ich jetzt dafür, dass der Staat hingeht und sich einmischt? Dass er sagt: „Ich beschütze jetzt diesen Mann vor Übergrifflichkeiten durch andere Menschen?“

Nein, bin ich nicht. Dieser Mann muss sich selbst helfen. Er kann die Hand nehmen und sie zurückstoßen. Er kann ihr im Extremfall eine Ohrfeige verpassen.

Ok, kann er nicht. Man siehe ihn sich an: Er ist schwach. Er ist mit der Situation völlig überfordert.

So ist das nun mal im Leben. Man macht gute Erfahrungen und schlechte. Aber nur die schlechten ermöglichen es uns, daran zu lernen und zu wachsen. Anders als im neuen Star Wars, in dem die weibliche Hauptfigur von Anfang an alles besser kann. Man macht im Leben eine Entwicklung durch, wozu genauso gehört, dass man auch mal der Unterlegene ist. Man kann sich im Nachhinein die Situation betrachten und sich vornehmen, es das nächste Mal besser zu machen, sich zu behaupten.

Es ist gefährlich, wenn der Staat das Interagieren der Menschen regulieren will, wenn er sich in die Beziehungen einmischt. Das führt ins Totalitäre, dahin, dass er einem selbst im Bett noch vorschreibt, wie man sich zu verhalten hat.

Krieg! Jetzt muss der harte Mann den weichen beschützen!

Dafür sollen Männer im Krieg ihr Leben lassen wenn es ernst wird.

Schon vor rund 15 Jahren (Quelle offline) merkte ein Feminist an, dass man mit dem Projekt, aus unseren Männern solche zu machen, die weich also „neu“ wären, noch etwas warten sollte. Warum? Weil es angesichts der ganzen rückständigen Machomänner weltweit noch eigene harte Männer bräuchte, die uns im Härtefall gegen die Brutalos verteidigen könnten.

Auf denselben Trichter scheint jetzt auch ein Pinkstinker gekommen zu sein, nämlich auf die Frage, was aus all den heren Werten vom neuen Mann wird, wenn ganz traditionelle Männer diesen überrollen. Denn bei pinkstinks ahnt man nicht nur, wer das Haus baut, sondern man weiß auch, dass das, was Feministen da heran züchten, nicht geeignet ist die Kultur zu schützen, in der eben solche Männer heran gezüchtet werden (und die Frauen, die nur in Hollywood stark sind aber im realen Leben vor Blicken und Sprüchen beschützt werden müssen, erst recht nicht). Deshalb findet der Pinkstinker, dass es wieder harte Männer bräuchte, um Mitgefühl und Zärtlichkeit bei Männern zu verteidigen: Der harte Mann soll den weichen beschützen, was – natürlich! – mit massiver Abwertung einher geht, der Pinkstinker:

Nicht in einer Spirale der Verhärtung, in der Männer aus reiner Lust an Brutalität und Macht Gewalt ausüben, wann immer es ihnen passt. Sondern in einer Verabredung zu Zärtlichkeit und Mitgefühl, die als letztes Mittel auch nicht vor Gewalt zurückschreckt, um Zärtlichkeit und Mitgefühl zu verteidigen.

Der neue Mann ist nicht stark – auch ein starker Mann kann zärtlich und mitfühlend sein, ich wage sogar zu behaupten: Nur der starke kann es – er ist schwach. Feministen züchten schwache Männer heran, da sie mit starken Männern überfordert sind, diese ihren ganzen Hass und ihre Ressentiments herausfordern. Mütter und Feministen erziehen da schwache Männer; Männer, die nicht ihre eigenen Interessen wahren können: Das ist der ganze Sinn hinter dem Projekt „Neuer Mann“.

Was mir dabei weiterhin auffällt, ist, mit welcher Silberverständlichkeit man Männer gleichzeitig anfeindet, abwertet und sie dann doch für den eigenen Zweck instrumentalisiert, noch Forderungen an sie stellt – niemals könnte man so auf prominenten Seiten an Frauen herantreten: „Du bist ein Stück Scheiße und jetzt mach was ich sage!“

Wäre was dran vom mächtigen Mann, man ginge das ganz anders an,

nämlich so:

Sehr geehrter Herr Patriarch,

freundlichst und respektvoll möchten wir Sie ersuchen, zu erwägen, für uns zu kämpfen. Als Gegenleistung bieten wir ihnen…

Ja! Was?

Ständiges Keifen und Abwerten und Niedermachen!

Der ganze Umgang sowohl der Frauen als auch der Feministen mit dem Mann zeigt nur, und hat schon immmer gezeigt, dass der Mann der Sklave der Frau ist, bis in den Tod, den er auf dem Schlachtfeld findet, um dort das Vaterland – also Frau und Kinder – zu verteidigen. Feministen sprechen immer von Gleichstellung. Also Zeit für Frauen, zu sterben – für Männer, die neu sind.

Puer Robustus – Part Seven

Es folgt ein Gastbeitrag von Elmar (zu Part Six):

Der puer robustus wird von Marx und Engels als ökonomischer Klassenrevolutionär und Aufständischer gegen eine von Gott eingesetzte Obrigkeit entworfen, dem bereits diejenige Cleverness anhaftet, die der puer robustus ebenfalls nach dem Entwurf von Tocquevilles hat.

So beschreibt bereits Tocqueville den puer robustus als Selbstrevolutionär, als jemanden, der sich darauf konzentriert, den privaten Gewinn zu maximieren, und sich für so clever hält, daß er politisch zur staatlichen Ordnung ausreichend Distanz hält. Motivation dieser Beschreibung bezieht Tocqueville aus der Beobachtung der Verhältnisse im zeitgenössischen Amerika. Diese exzentrische Variante des puer robustus hat nach Tocqueville dadurch die Zukunft für sich gepachtet und pflegt das Lebensgefühl, unschlagbar zu sein, und neben dem Fehlen sozialer Verpflichtungen dominieren Abenteuerlust und Verspieltheit. Insofern tritt der puer robustus, der mehr sich selbst stört, als andere, als Frühgeburt eines Menschenschlages in die Welt, der von politischer Kooperation wenig, von kapitalistischer Rücksichtlosigkeit aber umso mehr hält – was Tocqueville heftig kritisiert, da nach seiner Ansicht dadurch der Niedergang der Demokratie, der Verlust der politischen, der wahren Freiheit drohen.

Das bedeutet: Im Gegensatz zu Rousseau feiert Tocqueville nicht die innere Ruhe des guten puer robustus. Anders als Diderot liebäugelt er nicht mit einem puer robustus, der die Welt in Bewegung bringt. Und anders als Schiller empfindet er keine Sympathie für den Störenfried, der das Recht bricht und anders als Hugo entdeckt er im puer robustus keinen moralischen Kompass und würde anders als Richard Wagner nie im kühnen, unverbildeten Kind den Erlöser suchen. Wie Hobbes sieht Tocqueville den puer robustus als asozialen Typ, der unfähig oder unwillig ist, politische Regeln zu setzen und einzuhalten, weil er seinen rohen Leidenschaften freienLauf läßt.

Die neue Komponente als Revolutionär im Puzzle, das das Bild des puer robustus inzwischen abgibt, wird von Marx und Engels nun im Sinne einer sozialen Klasse, eines revolutionären Kollektivsubjekts, politisch und moralisch positiv gedeutet. Gleichzeitig machen Marx und Engels den puer robustus zum Protagonisten einer Geschichtsphilosophie, in der die Bosheit ins Gute umschlägt und der damit – anders als bei Victor Hugo – auch Erfolg auf ganzer Linie hat.

Auf unserer spracharchäologischen Suche nach den kulturellen Ursprüngen des Verständnisses von Männlichkeit, referiere ich heute in zweiter Hand die Ideen von Marx und Engels aus dem Buch Puer Robustus (2016) von Dieter Tomä.

Das revolutionäre Kollektivsubjekt ergötzt sich bei Marx und Engels an der Angst der Machthaber, denen es als malitiosus erscheint und es macht sich einen Spaß daraus, dieses von Angst getriebene Urteil der besitzenden Machthaber ironisch zu übernehmen und umzudrehen: Das Böse erscheint bei Marx und Engels als Anstrich des Guten, die Gewalt wird als reinigendes Gewitter begrüßt. Marx und Engels bieten das scheinbar böse, letztlich aber gute, rohe und einfache Volk gegen eine staatliche Ordnung auf, die die Güte nicht, wie Hobbes dies vorsah, für sich reservieren kann. Der Bruch der Ordnung soll sich aber nicht in individueller Willkür erschöpfen, sondern ist dieses Mal das Ergebnis geschichtlicher Kämpfe.

Und um obige geschichtsphilosophische Aufwertung der Identität als gewalttätiges Kollektivsubjekt zu legitimieren, muß der neue puer robustus im Namen der Befreiung der ganzen Menschheit und als Vorreiter einer besseren Welt handeln: Das alte individualistischen Selbstbild, das in der bürgerlichen Gesellschaft zur Herrschaft gelangt ist, wird aufgegeben.

Von der natürlichen Freiheit, in der das Individuum fern der Gesellschaft um seine Selbsterhaltung ringt und dem Naturzwang ausgesetzt ist, hält Marx indes ebenso wenig wie Hobbes. Stattdessen winkt dem Individuum im künftigen Reich der Freiheit, das den Fluchtpunkt von Marx‘ Überlegungen bildet, die Selbstverwirklichung in der Gemeinschaft. Das tradierte, bürgerliche Individuum steht bei Marx für die Lösung eines Problems, i.e. für die Befreiung vom Naturzwang, und wird dabei sogleich Teil eines neuen Problems, denn es bleibt auf einer bestimmten historischen Entwicklungsstufe stehen, in der die Freiheit noch verkrüppelt ist.

Wie bei Richard Wagner führt Marx die Verkrüppelung der Freiheit zurück auf die Verirrung, in der sich der zivilisierte Mensch von der Natur entfernt habe: Richard Wagner bringt Natur und Vertrag als Ausdruck einer entwickelten Kultur gegeneinander in Stellung. Der Gesellschaftsvertrag, der die interessegeleiteten Individuen nach Hobbes schließen, taucht bei Wagner daher als künstliche und daher feindliche Ordnung auf. Damit nähert sich Wagner dem Bild des Naturzustands, das Rousseau entworfen hat, denn Wagner faßt die Politik und die Ökonomie in der Welt der Verträge zusammen und betrachtet sie als Spielstätte gewaltsamer oder ränkevoller Individuen, die Verträge nur schließen, um egoistische Vorteile, Zinsgewinne und Ausbeutung zu sichern. Anstatt irgendeine Art von Kooperationsgleichgewicht zu repräsentieren, herrsche nur vom Staat ermöglichte Willkür. Dieser soziale Rahmen sei zudem dafür verantwortlich, daß die Menschen sozial getrennt würden und der freie Wille der Menschen zur widerlichen Leidenschaft, Geiz, Wucher und Gaunergelüste verrküppele sowie der Mensch entwürdigt werde und leide.

Marx attackiert ebenfalls die Vorstellung, dass die Menschen sich verlustfrei als Individuen und Vertragsteilnehmer verstehen können, und sieht die bürgerliche Gesellschaft als eiskalten Institution egoistischer Berechnung, der Trennung und Isolierung, in der nicht gegenseitige Unterstützung, sondern gegenseitige Feindseligkeit, unter gewissen Kriegsgesetzen dominiert, getarnt als sogenannte vernünftige Konkurrenz. Um das zu charakterisieren, bringt er zwei Schlüsselbegriffe in Stellung: Absonderung und Abhängigkeit. Dem Individuum werde weisgemacht, es könne dank der Absonderung von anderen Menschen selbständig entscheiden, auf welche vertraglich geregelte Abhängigkeit es sich einlasse. Doch mit Freiheit hat das nach Marx noch nichts zu tun.

Auch die individuellen Rechte sind nach Marx nicht zufällig Abwehrrechte und nicht etwa Freiheitsrechte: Zwar hat jeder das Recht auf Absonderung, das Recht sich auf sich selbst zu beschränken, doch das gibt dem Individuum kein Recht als Gattungswesen in einer Gemeinschaft zu leben und sich darin selbst zusammen mit anderen frei zu verwirklichen.

Die Vertragsfreiheit allein macht gerade nicht frei, sondern hält die Menschen gefangen in einer Haltung, in der sie sich nur gegen andere, nicht mit anderen entfalten könne. Und indem der Staat seine Aufgabe darin sieht, genau jene Abwehrrechte zu garantieren, die im klassischen liberalistischen Sinne der Vertragsfreiheit dienen, macht er sich zum Helfershelfer eine inhumanen Kapitalismus. So bietet das Recht, das die vertragliche Regelung von Arbeitsverhältnissen ermöglicht, reichlich Möglichkeiten zur faktischen Entrechtung der Arbeiter. Es wirkt ebenso einseitig oder ungerecht wie etwa das allgmeine Verbot, unter Brücken zu schlafen, nur ein Problem für die Armen, nicht aber für die Reichen darstellt.

Infolge seiner wirtschaftlichen These der Kapitalakkumulation, kommt Marx zu der Ansicht, daß sich die Gesellschaft von einer amorphen Masse hin zu einer in wirtschaftliche Lager gespaltenen Gesellschaft entwickelt: Das Proletariat und die Bourgeoisie. In dieser polarisierten Gesellschaft stoßen die einen, die ihre Freiheit beim Vertragsschluss auskosten, auf die anderen, für die die Vertragsbedingungen alternativlos sind und die keinen Spielraum haben, sich zu weitern. Die bürgerlichen, in den Verhältnissen der herrschenden Klasse entwickelten Individuen, meinen in diesem setting über die Abhängigkeiten, die sie als Vertragspartner eingehen, nach Gutdünken entscheiden zu können. Entsprechend deuten sie die Absonderung als Schutzraum, in dem sie auf ihre Freiheit glauben pochen zu können. Die Arbeiter müssen sich dieses individualistische Handlungsmodell zu eigen machen, ohne über einen entsprechenden Spielraum zu verfügen und sind zur Teilnahme an einer Arbeitswelt gezwungen, die als Vertragswelt organisiert ist. Das Junktim aus Absonderung und Abhängigkeit verliert für sie seinen Reiz. Der Angriff der Arbeiter auf die kapitalistische Ordnung lässt sich deshalb präzise als Kampf gegen Abhängigkeit und als Kampf gegen Absonderung fassen. Anders formuliert: Nach dem Modell der bürgerlichen Vergesellschaftung soll an die Stelle der Abhängigkeit vom Naturzwang die Abhängigkeit der Menschen voneinander treten. Letzterer wird der Vorzug zugeschrieben, verhandelbar zu sein: Man soll sich auf Abhängigkeiten einlassen, sich aber auch von ihnen lösen können. Bei den Arbeitern funktioniert diese Verwandlung der Abhängigkeit nun aber nicht. Sie geraten in eine neue Abhängigkeit hinein, bleiben aber zugleich dem Naturzwang ausgeliefert, weil ihnen der Zugang zur Natur mangels Eigentum als unmittelbare Subsistenzquelle verschlossen ist. Daher sind sie um der Befriedigung ihrer natürlichen Bedürfnisse willen auf die Vergesellschaftung in Form des Verkaufs ihrer Arbeitskraft angewiesen.

In dieser Situation ist der Proletarier Engels zufolge so hilflos, daß er für sich selbst kaum einen einzigen Tag leben kann. In der kapitalistischen Produktion wird die abhängige Arbeit nach Marx dazu benutzt, um den erst werdenden Menschen, den ganz unausgebildeten Menschen – das Kind – zum Arbeiter zu machen, und was dabei herauskomme, sei der Arbeiter als verwahrlostes Kind. Der Arbeiter als Repräsentant des revolutionären Klassensubjektes steht daher nicht schon von Anfang an als heldenhafter puer robustus auf der historischen Bühne, sondern muss sich den Kampfesmut erst aneignen. In wirtschaftlicher Not schlägt nun die Stunde des Störenfrieds, der mit diesem Leben in Abhängigkeit bricht und nun als natürlicher Feind an der Schwelle der bourgeoisen Gesellschaft auftaucht. Diese scheinbar unmenschlichen, vormenschlichen Armen werden, je nach Neigung der Gesellschaftsanalysten, verachtet, gefürchtet oder bedauert. Doch die Randposition, die das wilde, tierische Volk einnimmt, ist auch einer positiven Umdeutung zugänglich. Sie setzt an bei der Anerkennung seiner unbändigen Kraft – einer Kraft, wie man sie vom neuzeitlichen puer robustus her kennt.

Die ausstehende Emanzipation des Klassensubjekts, seine revolutionäre Aktivierung, soll nach Marx im Zuge einer Verschiebung des Selbstverständnisses vom individuellen Staatsbürger hin zum Gattungswesen gelingen, insofern jeder Mensch ein gemeinschaftlich lebendes Wesen ist oder werden kann. Tatsächlich handelt es sich um zwei Aspekte, die auseinander gehalten werden müssen:

a) Das Individuum als Gattungswesen ist von vornherein, i.e. vor aller individuellen Entscheidung und Präferenz auf seinem Weg der Autonomiegewinnung in eine vorgegebenen Gemeinschaft eingebettet.

b) Die Gemeinschaft der Individuuen ist nicht vorgegeben, sondern wird zusammen mit anderen aufgrund der individuellen Entwicklungsgeschichte erzeugt. Gemeinschaft wird hier auf ein Mittel für individuelle Zwecke reduziert.

Das Individuum hat nach Marx nicht vorab und als vereinzeltes Wesen Interessen, die es erst in einem zweiten Schritt dazuführen, sich anderen zuzuwenden. Vielmehr findet es sich erst selbst, wenn es sich auf andere einlässt und dabei zugleich sich selbst als Individualisten hinter sich lässt. Diese Idee kann auf zwei Weisen ausbuchstabiert werden:

In seiner später aufgegebenen Verelendungstheorie – das ist Variante a) – führt Marx aus: Unter Bedingungen des Kapitalismus wird der Arbeiter folglich auf seine Existenz als Naturwesen zurückgeworfen: Es gibt gar nicht mehr diesen oder jenen Arbeiter, alle sind vielmehr vereinzelte Gattungswesen in dem Sinne, dass sie als Menschen an die Grenze zum tierischen Leben getrieben werden. Der Zustand tiefster Entfremdung im Hinblick auf die Gemeinschaft soll umspringen in den Zustand höchster Entfaltung: das Kollektivsubjekt als nomozentrischer puer robustus wird auf der Schwelle zwischen zwei Entwicklungsstadien einer durch und durch ökonomisierten Gesellschaft im Kampf gegen die Unmenschlichkeit entfesselt – eine Aktivierung, das Richtige zu erkämpfen, der sich der puer robustus als Schwellenwesen nicht entziehen kann.

Variante b) kommt zum Zug, wenn der Mensch in ökonomische Abhängigkeit gezwungen und dadurch an der freien Entfaltung seines Handelns gehindert wird. Wenn sich die Arbeiter hingegen selbst organisieren, spüren sie die Macht der vereinigten Individuen. Marx wie auch Engels verwenden hier die Intuition der Synergie: In der wirklichen Gemeinschaft erlangen die Individuen in und durch ihre Assoziation als Brüder zugleich ihre Freiheit. Diese Selbstorganisation des puer robustus als Schwellenwesen ist allerdings in besonderer Weise unordentlich und unberechenbar: Auf das Unecht von oben antwortet der puer robustus mit spontanem revolutionären Rechtsbruch von unten.

Man möge es mir nachsehen, daß die die politischen und ökonomischen Theorien von Marx und Engels so weit wie möglich verkürzt habe. Mir kam es hier nur darauf an, darzustellen, wie bei Marx und Engels der Mann als puer robustus als ein Mensch dargestellt wird, der keineswegs asozial ist, sondern erst in der Gemeinschaft der Brüder Zugang zu positiver Freiheit und Selbstverwirklichung erlangen kann. Denn diese Sichtweise des Mannes ist heutzutage beliebig unpopulär.

Nächster Teil: Sigmund Freud.

Gran Torino (2008) – Eine liebevolle Geschichte über einen alten weißen Mann

Clint Eastwood spielt in Gran Torino einen alten weißen Mann, der so ziemlich alle Klischees über „toxische Männlichkeit“ in sich vereint, aber dennoch ein Sympathieträger ist. So sieht zwar nicht die Familie, aber der Zuschauer es ihm nach, dass der Veteran seine koreanischen Nachbarn konsequent als „Schlitzaugen“ tituliert und auch sonst ein unfreundliches, griesgrämiges Gebaren an den Tag legt. Er ist hager, erzkonservativ, ein Patriot, weiß sich zu wehren und sich zu helfen (dieser Typ Mann wird wegen seiner Autonomie von Feministen gehasst), so dass es nicht schlimm ist, dass er nach dem Tod seiner Frau allein ist; spuckt auf den Boden, womit er seine Verachtung kundtut und denkt nicht im Traum daran, zur Beichte zu gehen, erst Recht nicht zu einem Bengel, der gerade vom Priesterseminar kommt und noch nicht trocken hinter den Ohren ist.

Wenn man sich den Film mit anderen ansieht, kann man ruhig darauf hinweisen, dass alte weiße Männer ganz in Ordnung sind. Hilfreich, an Clint Eastwood zu denken, wenn die nächste Hasskampagne gegen Männlichkeit gefahren wird.

Und zum Schluss?

„Ja, stimmt! Ich bin der weiße Teufel!“